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Anjesagtes, Appjefahr'nes und manchmal auch Ausjedachtes
Freitag, 27. Dezember 2024
Konsumlimits
Ich habe meine Mitgliedschaft bei den Krautreportern vor allem wegen Gabriel Yoran und seiner Serie: "Die Verkrempelung der Welt." Selten fand ich Texte so wahr und richtig und so treffend und gut beschrieben.

Jetzt hat er den 10. und letzten Teil seiner Serie veröffentlicht und weil ich zahlendes Krautreportermitglied bin, darf ich den Link zu dem Artikel teilen.

Wie du dein wahres Selbst findest (koste es, was es wolle)

Yoran erklärt hier sehr schlüssig die Hintergründe unserer Konsumsucht und unserer Konsumgesellschaft.
Seitdem die Menschen überwiegend aufgehört haben, ein gottesfürchtiges Leben zu leben, brauchten sie ein neues Leitbild. Das Drama begann mit der sogenannten Aufklärung, also gegen Ende des 18. Jahrhunderts.

" Erst in der Folge der Aufklärung, die den Menschen sich selbst überließ, mussten moralische Ideale, da sie ja nun nicht mehr von einem Gott herabgereicht wurden, irgendwo anders herkommen: aus dem Menschen selbst. Diese Vorstellung entstand tatsächlich erst Ende des 18. Jahrhunderts. Bis dahin war ein gutes Leben ein moralisches Leben, und das meinte ein Gott wohlgefälliges."

Weil es jetzt also nicht mehr reichte, einfach ein bescheidenes, gottesfürchtiges Leben zu führen, was vor der Aufklärung den Sinn des Lebens und überhaupt alles erklärte, 42 sozusagen, brauchte es neue Werte und vor allem einen neuen Sinn.

Diese Werteverschiebung führte gradewegs an die Spitze der Maslow'schen Bedürfnispyramiden - wer heutzutage ein wahrhaft sinnerfülltes Leben führen will, muss sich selber verwirklichen. Nix mehr Gott, selbst ist der Mensch und um diese Einmaligkeit zu definieren, muss er natürlich auch Werte schaffen, die unmittelbar ihm persönlich zugeordnet werden, z.B. also seinen persönlichen Geschmack, seine Vorlieben und seine Abneigungen. Und wie zeigt man das treffender als durch individuellen Konsum? Eben.

Ich habe während ich den Artikel las, ständig zustimmend und teilweise auch verblüfft ob dieser simplen Erkenntnis vor mich hingenickt. Ja, die zwanghafte Suche nach und Zurschaustellung der eigenen Persönlichkeit beschreibt die Menschen unserer heutigen Geselllschaft sehr treffend - und sehr gruselig.

Die Menschen sind heute nicht mehr davon abhängig, einem unsichtbaren, allmächtigen Gott zu gefallen, sondern sie müssen heute ihrem sozialen Umfeld gefallen.
Wie schrecklich ist das denn, bitte schön?

Und weil das ungleich komplizierter ist als einfach nur ein einfaches, gottesfürchtiges Leben, bei dem man die Regeln genau kennt und wenn man die befolgt ist alles gut, nein, heutzutage weiß man ja gar nicht so genau, wie und auf welche Art man leben und seine eigene Authentizität entwickeln soll. Und weil das alles so viel komplizierter und belastender geworden ist, steigt logischerweise auch die Zahl der Menschen, die ob dieser Belastung verzweifeln - und depressiv werden. Sie fühlen nicht genug. Sie fühlen sich nicht genug, was auch immer, es geht ihnen schlecht.

Das wird übrigens in dem Artikel nicht weiter ausgeführt, aber ich halte das für eine völlig natürliche Erklärung.

Herr Yoran hat allerdings ein konkretes Ziel im Blick:

"Da uns exzessiver, durch Konsum definierter Individualismus überhaupt erst an den Punkt gebracht hat, an dem der ganze Planet existenziell gefährdet ist, muss die Diskussion über das gute Leben geführt werden."

Er stellt verschiedene Diskussionsmodelle vor und ich kann gedanklich jedem nur zustimmen. Wie wir das allerdings hinbekommen sollen, dass unsere (westliche) Gesellschaft sich solchen Forderungen beugt, da fehlt mir noch die passende Phantasie - auch wenn es alles absolut vernünftig wäre
.
(Abgelegt in anjemerkt und bisher 584 x anjeklickt)

... ¿hierzu was sagen?

 
Herzlichen Dank …
… für den Link zu dem lesenswerten Artikel, dem ich in den meisten Punkten zustimme. Nur in einem nicht: Der Planet ist nicht in seiner Existenz bedroht. Er wird voraussichtlich noch einige Milliarden Jahre rotieren, nur eben bald ohne uns und all die anderen Tier- und Pflanzenarten, die wir mit ins Verderben gerissen haben werden.

... ¿noch mehr sagen?  

 
Da haben Sie natürlich vollkommen recht, der Planet wird es wahrscheinlich überstehen.

Vielleicht benutzt der Autor den Begriff „Planet“ aber auch als eine Art pars pro toto (oder auch ein ähnliches Stilmittel) als Synonym für „die Welt“.