Dienstag, 30. Juli 2024
Rückkehr zum Buch
anje, 22:31h
Ich habe ein Buch gelesen.
Wenn ich das einfach so aufschreibe, sieht es seltsam aus, so, als ob es etwas Besonderes wäre, aber in gewisser Weise ist es das auch, denn ich habe das Buch so gelesen, wie ich früher Bücher gelesen habe. Ohne besondere Ansprüche, Hauptsache eine gedruckte Geschichte und möglichst keine Bilder.
Früher habe ich sozusagen in jeder freien Sekunde gelesen. So wie die jungen Leute heute handysüchtig sind, war ich Bücher süchtig. Wohin ich auch ging, stets hatte ich mindestens ein Buch bei mir und an allen Orten, an denen ich mich üblicherweise länger aufhielt (Bett, Toilette, Sofa), lagen Bücher parat, nach denen ich nur greifen musste, wenn ich an dem jeweiligen Ort war.
Mein Anspruch an den Inhalt der Bücher war ungefähr so dezidiert wie der Anspruch der heutigen Jugend an irgendeine Form der Unterhaltung durch Instagram, TikTok oder welches Medium auch immer, in meiner Jugend waren Bücher teuer und bei meinem Konsum hatte ich die örtliche Dorfbibliothek mit 15 schon fast durchgelesen, inklusive der verbotenen Erwachsenenliteratur, die ich auf den Ausweis meiner Adoptivoma auslieh.
Ich benutzte sehr schnell mehrere Ausweise, denn auf einen Ausweis konnte man immer nur drei Bücher ausleihen und da die Bücherei nur zweimal die Woche geöffnet hatte, wäre ich mit einem Ausweis nicht weit gekommen.
Meine sechs Jahre jüngere Schwester wurde im zarten Alter von 3 Jahren Büchereimitglied, mein 12 Jahre jüngerer Bruder wurde es bereits am dritten Tag nach seiner Geburt, das hatte ich der Leiterin schon lange vorher angekündigt und die zur Unterschrift notwendigen Unterlagen lagen fertig vorbereitet bei mir zu Hause, es fehlte nur der Name und das Geburtsdatum des Bruders, Informationen die ich logischerweise erst nach seiner Geburt eintragen konnte.
Unterschrieben war der Antrag auch schon, ich hatte sehr früh gelernt, dass es das sinnvollste ist, solche Dinge meine Großmutter in Vertretung unterschreiben zu lassen, weil kein Erwachsener bei uns im Ort ihre Unterschrift kannte, aber niemand an ihrer Echtheit zweifelte, denn sie unterschrieb stets in einer schwungvollen Sütterlinhandschrift.
Ich hatte mir schon in der dritten Klasse selber Sütterlin als "Fremdschrift" (analog zur Fremdsprache) beigebracht und rasch gemerkt, wie praktisch es ist, das zu können, denn bei einem in Sütterlin geschriebenen Brief (den damals die meisten Erwachsenen noch lesen konnten) vermutete niemand, dass er von einem Kind geschrieben worden sei, weshalb ich spätestens ab dem Gymnasium dazu überging, meine Großmutter auch alle Entschuldigungen für von mir versäumten Unterricht schreiben zu lassen.*
Da all diese Vergehen mittlerweile verjährt sind, auch die, die ich später als Mutter beging, kann ich das heute alles locker zugeben.
*weil ich dadurch aus eigener Erfahrung gelernt habe, dass es sinnlos ist, Kinder in einen Schulunterricht zu zwingen, zu dem sie keine Lust haben, sie finden eh einen Weg, solche Lästigkeiten zu vermeiden, habe ich meinen Kindern immer sehr großzügig Entschuldigungen geschrieben und außerdem gab es die Regel, dass sie für jede 1, die sie in einer Klassenarbeit geschrieben hatten, einen Tag schulfrei nach Wunsch bekommen konnten. Das war schon deshalb eine gute Idee, weil sie dadurch motiviert waren, wenigstens so oft iam Unterricht teilzunehmen, dass sie eine reelle Chance auf eine 1 hatten.
Wie auch immer, ich war ja eigentlich bei Büchern und als Kind/Jugendliche las ich sozusagen ununterbrochen.
Ich kann Jugendlichen deshalb überhaupt nicht vorwerfen, dass sie ständig auf ihr Handy schauen, hätte es früher schon Handys gegeben, wäre vieles für mich einfacher gewesen. Beispielsweise hätte ich mir die Anschaffung des großen Stapels kleiner Reclamausgaben gespart, die ich brauchte, weil die als einzige problemlos in ein Gesangsbuch passten, so dass ich damit unbemerkt und ungestört in der Kirche (elterliche Zwangsveranstaltung) lesen konnte.
Diese unbremsbare Lesewut ist mir irgendwann abhanden gekommen. Ich weiß nicht, woran es lag, ich denke, es waren viele Gründe, die zusammenkamen, aber im Laufe der Jahre wurde ich immer pickiger, was Bücher anging, weil die Zeit knapper und die sonstigen Interessen und Verpflichtungen vielfältiger wurden und irgendwann kam es so gut wie gar nicht mehr vor, dass ich ein Buch in einem Rutsch einfach so durchlas.
Aber jetzt habe ich es wieder getan, ich habe einfach ein Buch genommen, das nicht mehr ins Regal passte, weil es einen grünblauen Buchrücken hatte, der schlechter in die Reihe mit den grünen Büchern passte als ein neues Buch mit einem reingrünen Buchrücken, das ich gekauft hatte und im Regal unterbringen wollte. Das sind halt so die Zwänge, denen man sich beugen muss, wenn man seine Bücher nach Farben sortiert.
Und so las ich heute Vormittag das Buch "Die Putzfraueninsel" eben mal fix durch, damit ich es jetzt wegtun kann, denn ein Buch, das farblich weder blau noch grün ist, lässt sich einfach viel zu kompliziert aufbewahren.
Interessant dabei fand ich, wie viel Spaß es mir machte, einfach immer weiter zu lesen und mir keinerlei Gedanken darum zu machen, was ich sonst vielleicht Sinnvolleres tun müsste/könnte/sollte und ich fand das Thema der Geschichte interessant, denn es ging darum, dass eine Frau, die ihr Leben bisher höchst erfolgreich geführt hatte und dies ohne Zweifel durch viel persönlichen Einsatz, Energie und Selbstdisziplin, dass diese Frau zu einem echten Hassobjekt für eine andere Frau wurde, deren Leben bisher vor allem aus Scheitern bestand. Und das Interessante war, dass die erfolgreiche Frau die unsympathische war und die Verliererfrau, die sich rein objektiv total Scheiße benahm, viel sympathischer erschien. Es ist wahrscheinlich, wie fast immer im Leben, einfach nur eine Frage der Perspektive.
Am Nachmittag gelang es mir endlich den Fehler in einer Excel-Tabelle zu finden, den ich dort seit 10 Tagen suchte, so dass ich danach eine komplexe Steuererklärung fertigstellen und einreichen konnte
.
.
(Abgelegt in anjesagt und bisher 306 x anjeklickt)
Wenn ich das einfach so aufschreibe, sieht es seltsam aus, so, als ob es etwas Besonderes wäre, aber in gewisser Weise ist es das auch, denn ich habe das Buch so gelesen, wie ich früher Bücher gelesen habe. Ohne besondere Ansprüche, Hauptsache eine gedruckte Geschichte und möglichst keine Bilder.
Früher habe ich sozusagen in jeder freien Sekunde gelesen. So wie die jungen Leute heute handysüchtig sind, war ich Bücher süchtig. Wohin ich auch ging, stets hatte ich mindestens ein Buch bei mir und an allen Orten, an denen ich mich üblicherweise länger aufhielt (Bett, Toilette, Sofa), lagen Bücher parat, nach denen ich nur greifen musste, wenn ich an dem jeweiligen Ort war.
Mein Anspruch an den Inhalt der Bücher war ungefähr so dezidiert wie der Anspruch der heutigen Jugend an irgendeine Form der Unterhaltung durch Instagram, TikTok oder welches Medium auch immer, in meiner Jugend waren Bücher teuer und bei meinem Konsum hatte ich die örtliche Dorfbibliothek mit 15 schon fast durchgelesen, inklusive der verbotenen Erwachsenenliteratur, die ich auf den Ausweis meiner Adoptivoma auslieh.
Ich benutzte sehr schnell mehrere Ausweise, denn auf einen Ausweis konnte man immer nur drei Bücher ausleihen und da die Bücherei nur zweimal die Woche geöffnet hatte, wäre ich mit einem Ausweis nicht weit gekommen.
Meine sechs Jahre jüngere Schwester wurde im zarten Alter von 3 Jahren Büchereimitglied, mein 12 Jahre jüngerer Bruder wurde es bereits am dritten Tag nach seiner Geburt, das hatte ich der Leiterin schon lange vorher angekündigt und die zur Unterschrift notwendigen Unterlagen lagen fertig vorbereitet bei mir zu Hause, es fehlte nur der Name und das Geburtsdatum des Bruders, Informationen die ich logischerweise erst nach seiner Geburt eintragen konnte.
Unterschrieben war der Antrag auch schon, ich hatte sehr früh gelernt, dass es das sinnvollste ist, solche Dinge meine Großmutter in Vertretung unterschreiben zu lassen, weil kein Erwachsener bei uns im Ort ihre Unterschrift kannte, aber niemand an ihrer Echtheit zweifelte, denn sie unterschrieb stets in einer schwungvollen Sütterlinhandschrift.
Ich hatte mir schon in der dritten Klasse selber Sütterlin als "Fremdschrift" (analog zur Fremdsprache) beigebracht und rasch gemerkt, wie praktisch es ist, das zu können, denn bei einem in Sütterlin geschriebenen Brief (den damals die meisten Erwachsenen noch lesen konnten) vermutete niemand, dass er von einem Kind geschrieben worden sei, weshalb ich spätestens ab dem Gymnasium dazu überging, meine Großmutter auch alle Entschuldigungen für von mir versäumten Unterricht schreiben zu lassen.*
Da all diese Vergehen mittlerweile verjährt sind, auch die, die ich später als Mutter beging, kann ich das heute alles locker zugeben.
*weil ich dadurch aus eigener Erfahrung gelernt habe, dass es sinnlos ist, Kinder in einen Schulunterricht zu zwingen, zu dem sie keine Lust haben, sie finden eh einen Weg, solche Lästigkeiten zu vermeiden, habe ich meinen Kindern immer sehr großzügig Entschuldigungen geschrieben und außerdem gab es die Regel, dass sie für jede 1, die sie in einer Klassenarbeit geschrieben hatten, einen Tag schulfrei nach Wunsch bekommen konnten. Das war schon deshalb eine gute Idee, weil sie dadurch motiviert waren, wenigstens so oft iam Unterricht teilzunehmen, dass sie eine reelle Chance auf eine 1 hatten.
Wie auch immer, ich war ja eigentlich bei Büchern und als Kind/Jugendliche las ich sozusagen ununterbrochen.
Ich kann Jugendlichen deshalb überhaupt nicht vorwerfen, dass sie ständig auf ihr Handy schauen, hätte es früher schon Handys gegeben, wäre vieles für mich einfacher gewesen. Beispielsweise hätte ich mir die Anschaffung des großen Stapels kleiner Reclamausgaben gespart, die ich brauchte, weil die als einzige problemlos in ein Gesangsbuch passten, so dass ich damit unbemerkt und ungestört in der Kirche (elterliche Zwangsveranstaltung) lesen konnte.
Diese unbremsbare Lesewut ist mir irgendwann abhanden gekommen. Ich weiß nicht, woran es lag, ich denke, es waren viele Gründe, die zusammenkamen, aber im Laufe der Jahre wurde ich immer pickiger, was Bücher anging, weil die Zeit knapper und die sonstigen Interessen und Verpflichtungen vielfältiger wurden und irgendwann kam es so gut wie gar nicht mehr vor, dass ich ein Buch in einem Rutsch einfach so durchlas.
Aber jetzt habe ich es wieder getan, ich habe einfach ein Buch genommen, das nicht mehr ins Regal passte, weil es einen grünblauen Buchrücken hatte, der schlechter in die Reihe mit den grünen Büchern passte als ein neues Buch mit einem reingrünen Buchrücken, das ich gekauft hatte und im Regal unterbringen wollte. Das sind halt so die Zwänge, denen man sich beugen muss, wenn man seine Bücher nach Farben sortiert.
Und so las ich heute Vormittag das Buch "Die Putzfraueninsel" eben mal fix durch, damit ich es jetzt wegtun kann, denn ein Buch, das farblich weder blau noch grün ist, lässt sich einfach viel zu kompliziert aufbewahren.
Interessant dabei fand ich, wie viel Spaß es mir machte, einfach immer weiter zu lesen und mir keinerlei Gedanken darum zu machen, was ich sonst vielleicht Sinnvolleres tun müsste/könnte/sollte und ich fand das Thema der Geschichte interessant, denn es ging darum, dass eine Frau, die ihr Leben bisher höchst erfolgreich geführt hatte und dies ohne Zweifel durch viel persönlichen Einsatz, Energie und Selbstdisziplin, dass diese Frau zu einem echten Hassobjekt für eine andere Frau wurde, deren Leben bisher vor allem aus Scheitern bestand. Und das Interessante war, dass die erfolgreiche Frau die unsympathische war und die Verliererfrau, die sich rein objektiv total Scheiße benahm, viel sympathischer erschien. Es ist wahrscheinlich, wie fast immer im Leben, einfach nur eine Frage der Perspektive.
Am Nachmittag gelang es mir endlich den Fehler in einer Excel-Tabelle zu finden, den ich dort seit 10 Tagen suchte, so dass ich danach eine komplexe Steuererklärung fertigstellen und einreichen konnte
.
.
anje,
Dienstag, 30. Juli 2024, 22:35
ach, btw. @barbara, wenn Du den Link zu den farblich sortierten Büchern anklickst, siehst Du auch die Stelle, wo das Leuchtturmbild hin soll. Wie geht es dem?