anjesagt

Anjesagtes, Appjefahr'nes und manchmal auch Ausjedachtes
Montag, 6. Juli 2020
Ein ruhiger Sonntag
Ein sehr gemütlicher Sonntag war das heute. Nach einem langen Ausschlafen sind wir noch bis Mittags im Bett geblieben und haben gelesen. K stand zwischendurch mal auf und holte Kaffee, dann presste er uns noch frischen Orangensaft und dann machte er noch mal Kaffee, das war alles sehr gemütlich und ich habe meine gesamte Blogroll leergelesen, hier bin ich also jetzt schon bei Inbox Zero, das gefällt mir.
Beim Blogs lesen fiel mir auf, dass ich es zwar mag, wenn andere Blogger interessante Links posten, ich selber kriege das allerdings kaum hin, weil ich einfach viel zu faul bin, mir irgendwelche Links systematisch zu speichern. Ich surfe immer noch wie vor 20 Jahren eher wahllos durch dieses Internet, klicke mich von Link zu Link, freue mich, wenn etwas dabei ist, was mich interessiert, aber wenn ich es gelesen habe, klicke ich einfach weiter, aus den Augen aus dem Sinn. Wenn ich dabei unterwegs auf Themen stoße, die mich zum Nachdenken bringen, dann denke ich zwar über das Thema selber weiter nach und ab und zu fange ich auch schon mal spontan an, etwas dazu aufzuschreiben, vergesse aber trotzdem, mir den Beitrag zu speichern, der der Auslöser für mein Nachdenken war und deshalb kann ich später auch keinen Link mehr liefern, wenn ich das Thema tatsächlich mal selber in meinem eigenen Blog aufgreife.
Ein bisschen liegt das daran, dass ich die meisten Blogs mit einem Feedreader lese, da müsste ich erst dreimal extra klicken, bis ich überhaupt den Link zu einem einzelnen Beitrag kopieren könnte, und dann steht der Link so einzeln in der Gegend rum, den müsste ich dann ja auch noch irgendwie erläutern und plötzlich ist das alles so umständlich - und zack, habe ich die Lust verloren, das ordentlich zu Ende zu bringen. Die Blogger, die ihre Infos immer so ordentlich mit Quellenangabe und Zitathinweis weiterverteilen, die bewundere ich durchaus für ihre Disziplin und die gut organisierte Struktur, die dahinter stehen muss, ich fürchte aber, in diesem Fach werde ich nie konkurrieren können.

Am Nachmittag habe ich erst ein wenig die Küche aufgeräumt, dann wieder eingedreckt, weil ich einen Kuchen gebacken habe, dann aber auch wieder sauber gemacht, um sie sofort wieder neu einzudrecken, weil mir einfiel, dass noch Erdbeeren im Kühlschrank stehen, die ich ja zu meinem neuen Lieblingsgetränk, Erdbeerlimonade, verarbeiten könnte. Heute kam ich auf die gute Idee, dass ich die durchgeseihte Erdbeerpulpe ja nur mit Zuckersirup und Zitronensaft vermischt abfüllen muss, das Auffüllen mit Wasser kann man ja auch erst beim Eingießen machen, dann passt das Erdbeerlimokonzentrat nämlich genau in eine 1l Karaffe und lässt sich viel leichter im Kühlschrank unterbringen.
Manchmal wundere ich mich, wie lange ich brauche, um auf so einfache Ideen zu kommen, denn die Male vorher, wo ich diese Erdbeeerlimo schon hergestellt habe, habe ich jedesmal mit der Gesamtmenge von 2l gekämpft, für die es in diesem Haushalt kein passendes Gefäß gibt.

Am Abend stand dann Kühlschrank leeren auf dem Programm, in fünf Tagen verlasse ich diesen Haushalt erstmal für einen Monat, da ist klug, den Kühlschrank vorher so leer wie möglich gegessen zu haben. Heute gab es Backofengemüse und Camembert, damit ist schon mal ein großes Fach frei geworden
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Samstag, 4. Juli 2020
Neue Haustür
Wir haben heute eine Haustür ausgesucht.
Zu dem Zweck sind wir nach Rietberg gefahren, wo ein großer Hersteller, mit dem der Schreiner unseres Vertrauens zusammenarbeitet, eine sehr große Haustürenausstellung hat und wo wir auf Vermittlung des Schreiners einen Termin mit einem Berater hatten - und jetzt wissen wir enorm viel über Haustüren, haben unsere Wunschtür konfiguriert und drücken uns selber die Daumen, dass das alles nun so gut weiterläuft wie dieser Termin sich heute entwickelt hat.
Weil, es war wirklich ein ungemein positiver Termin, der Berater war supernett und wir fühlten uns bei ihm extrem gut aufgehoben.
Er hat uns so gut wie alle Extras ausgeredet, die wir ursprünglich haben wollten und die den Preis der Haustür gut verdreifacht hätten, im Ergebnis haben wir jetzt eine technisch relativ preiswerte Haustür bestellt, einfach deshalb, weil es für unser Haus und unseren Bedarf die sinnvollste Lösung ist.
Wir haben ja beide so einen leichten Technik-Tick und eine Tür mit elektrisch betriebener Verriegelung, die man dann über einen Fingerabdrucksensor öffnen kann, erschien uns extrem praktisch. Wir brauchen keinen Schlüssel mehr und wenn man im Sommer Schwimmen geht, ist das ein unbestritten positiver Luxus. Und überhaupt eben geile Technik, die nach viel Bequemlichkeit aussieht, das ist schon was Feines. Dazu wollten wir dann noch eine Türkamera mit Internetsteuerung, wie aus so abgedrehten Hollywoodfilmen, bot dieser Hersteller alles an und K träumte schon von der ultimativen Luxustür.
Ist aber für eine Haustür, die in einem Haus auf Borkum auch noch genau auf der Wetterseite und in direkter Strandnähe eingebaut werden soll alles keine gute Idee.
Weil Sturm, Salzwasser und vor allem der superfeine Sand, den der Sturm dann ja mitschleppt und mit hoher Geschwindigkeit genau auf die Tür und all diese Elektronikteile pustet - das geht nicht lange gut.
Ich weiß in welchem Tempo auch extra "seewasserfeste" Edelstahl- und Alumimiumteile auf der Insel verrotten, und einiges, was uns als positives Extra sinnvoll erschien, funktioniert mechanisch. Eine Mechanik, die Sand ins Getriebe bekommt, und das wird 100%ig sicher passieren, nimmt aber schnell übel.
Deshalb haben wir uns auf Anraten des Verkäufers von all dem technischen Shishi wieder verabschiedet und uns einfach nur für eine optisch schöne Tür entschieden. Friesengrün-weiß mit großer Glasscheibe, damit Licht ins Haus fällt und wenn alles so klappt, wie wir uns das vorstellen, dann gelingt es dem Glaser des Herstellers in die Mitte der Glasscheibe, mit einer einfachen Bleiverglasung abgesetzt, das Borkumwappen reinzuritzen. In diese Idee habe ich mich jetzt total verliebt und will gar nicht darüber nachdenken, was wir tun, wenn der Glaser sagt, es geht doch nicht. Das muss einfach gehen, weil ich jetzt fest daran glaube.
Insgesamt waren wir über zweieinhalb Stunden in diesem Türenladen und es war ein rundum positives Erlebnis. Wenn alles so klappt, wie ich mir das vorstellen, dann wird die neue Tür noch dieses Jahr eingebaut.

Und neue Fenster gibt es nächstes Jahr, die sind grob auch schon ausgesucht und der Schreiner hat gesagt, dass er das alles macht und dafür auch extra wieder nach Borkum kommt, das ist alles ziemlich positiv und ich bin jetzt sehr zufrieden
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Freitag, 3. Juli 2020
Lebenserträglichkeit
Sie kennen das? Wenn die Gelderwerbsarbeit Sie so belastet, dass Ihnen eine potenziell lebensbedrohliche Erkrankung als verlockende Alternative erscheint?
(Nein, antworten Sie nicht: Ihnen fehlt sehr wahrscheinlich die Grundlage, ohnehin nicht gerne zu leben und auf Lebenserträglichkeit angewiesen zu sein.)


Die Kaltmamsell bringt in einem Nebensatz ein Dauerthema meines Lebens derart perfekt auf den Punkt, dass ich nur staunend davor stehe und sage: Ja natürlich, das ist es. Warum bin ich eigentlich Zeit meines Lebens immer davon ausgegangen, dass jeder Mensch von Natur aus und damit sozusagen gottgegeben selbstverständlich als Standardeinstellung das Gefühl "Ich lebe gerne" haben müsste?
Weil, wenn die Grundeinstellung bei der Auslieferung, also ab Geburt nicht auf "oh, wie ist das schön", sondern vielleicht nur auf "ja nun, muss ja" stand, dann fühlt sich das gesamte Leben deutlich anders an.

Und dann wird Lebenserträglichkeit zu einem Zauberwort.

Ich glaube oder bilde mir ein, dass ich mich so für den Hausgebrauch einigermaßen umfassend mit Depressionen auskenne und deshalb weiß, dass ich davon nicht betroffen bin, zumindest nicht in dem Maß, dass es klinisch behandelt werden müsste.
Andere Definitionen mag es geben, die auch kleinere seelische Zipperlein sofort als "nicht neurotypisch" diagnostizieren und natürlich hat jeder Mensch auch seine eigene, höchstindividuelle Leidensfähigkeit, so dass es sicherlich einen Ansatz gibt, auch schon das Fehlen einer positiven Grundeinstellung zum Leben insgesamt klinisch zu behandeln und als irgendeine ernstzunehmende Psychokrankheit zu bezeichnen, aber da ich diese Art der Psychokrankheiten in eine vergleichbare Schublade stecke wie Rheuma oder andere Autoimmunkrankheiten, gibt es darunter halt schwere Ausprägungen, die definitiv behandelt werden müssen und leichtere, mit denen man sich irgendwie arrangieren kann oder an denen man sehr gut auch mit allgemeinen Hausrezepten erfolgreich rumdoktorn kann, denn auch die Fachleute haben bei Autoimmunkrankheiten in aller Regel nur Symptomlinderungsmöglichkeiten - wirklich heilen kann man solche Krankheiten halt nicht, man kann (muss) aber lernen, damit zu leben.

In meinem familiären Umfeld gibt es reichlich Anschauungsmaterial für Depressionen in jeder Ausprägungsgüte, ein Grund, weshalb ich mich sehr intensiv, aus vielen verschiedenen Quellen und Kanälen und auch schon seit langer Zeit mit dem Thema "Depression - Arten, Auftreten und Hintergründe" beschäftigt habe.
Mein Opa hat sich nach mehreren erfolglosen Versuchen irgendwann erfolgreich umgebracht, mein Vater hat bisher nur einen erfolglosen Versuch hinter sich, andere Familienmitglieder sind seit Jahren immer mal wieder und dann auch für längere Zeit in stationärer Behandlung, eben immer dann, wenn es anders gar nicht mehr geht, ein Kind hat eine therapeutische Behandlung durchlaufen, weil es Schule, Kinderarzt und auch ich selber wenigstens für einen brauchbaren Versuch hielten und ein anderes wird eine durchlaufen, weil das die Voraussetzung für den Facharzt in diesem Gebiet ist. - Ich denke also, es mangelt mir nicht an ausreichender Erfahrung und Information über diese Krankheit.

Das Bild, dass Depressionen sowas wie eine Autoimmunerkrankung sind (und ja, ich weiß, dass es auch "degenerative Formen" gibt, wie bei Rheuma auch) habe ich mir selber zurechtgelegt, weil ich erstens finde, dass es ein passender Vergleich ist und weil damit außerdem die Frage nach dem "warum?" und gleichzeitig auch dem "wann bin ich geheilt?" nicht mehr beantwortet werden muss. Wenn man Pech hat, erwischt man halt eine Disposition dafür, shit happens, man muss dann eben lernen, damit umzugehen und wissen, wann ein Schub so stark ist, dass man professionelle Hilfe braucht.

Verglichen mit anderen Mitgliedern in meiner Familie habe ich deshalb nur eine auf "nun ja, hilft ja nix" zurückgedrehte Grundeinstellung zum Leben mitbekommen, damit kann ich normalerweise sehr gut leben, und um im Bild der Immunstörungen zu bleiben, ist das eher so etwas wie ein Heuschnupfen, aber sicher noch keine richtige Autoimmunkrankheit. Allerdings kann auch ein Heuschnupfen zwischendurch recht anstrengend sein und bei anderen Leuten den Eindruck erwecken, man wäre ernsthaft krank, weil man sich bei einer richtig üblen Heuschnupfenattacke ja auch selber schnell leid tut, weil es so ätzend ist.

Die meiste Zeit des Jahres kann ich mich mit meinem "Heuschnupfen" aber ganz gut arrangieren, an vielen Tagen merke ich noch nicht mal, dass es da vielleicht eine kleine Holprigkeit im allgemeinen Befinden geben könnte, ich kenne mein Leben schließlich auch nicht anders und da es mich grundsätzlich nicht am Leben selber hindert, lebe ich halt einfach so vor mich hin und denke nicht weiter darüber nach.
Erst wenn ich mit anderen Menschen zusammen bin oder wenn ich mit Erstaunen beobachte, wofür sich andere Menschen intensiv begeistern können, fällt mir auf, dass ich in vielen Dingen irgendwie anders ticke. "Das Leben ist toll." oder "Ich lebe gerne" sind so Sätze, die finde ich genauso kitschig, kindisch, aufgesetzt und übertrieben wie Schlager von Helene Fischer oder Jürgen Drews. Ist ja ganz nett, kann man auch sicher mal sagen, aber genauso gut kann man es auch bleiben lassen, denn es ist entweder trivial oder gelogen. Finde ich.

Das heißt übrigens nicht, dass es nicht ganz viele Dinge gibt, an denen ich wirklich Spaß habe, die ich gerne mache, über die ich mich freue, im Gegenteil, ich würde von mir sogar behaupten, dass ich absolut ein eher positiver Mensch bin, ich habe deutlich mehr gute als schlechte Laune und Trübsinn blasen ist etwas, das kommt bei mir so gut wie nie vor, weil ich grundsätzlich sehr energisch dagegen angehe. Wenn es Dinge gibt, die mir nicht passen, dann gebe ich mir viel Mühe, sie zu ändern - oder sie abzustellen. Change it, leave it oder love it - die Grundmelodie meines Lebens, wobei "love it" bei mir in der Regel dem eher fatalistisch akzeptierenden "hilft ja nix" entspricht.

"Duldsam" ist dagegen ein Attribut, das mal so gar nicht zu mir passt.
Genauso wenig wie "dankbar", im Gegenteil, "dankbar" macht mich fast automatisch aggressiv und funktioniert bei mir wunderbar als Triggerwort zum Aufregen, denn beides sind Ausdrücke gelebter Passivität und genau das ist etwas, was ich aktiv ablehne. Wenn ich nichts mehr aktiv tun kann, wenn ich nur noch dankbar und duldsam darauf warten kann, dass mein Leben an mir vorbeizieht, nun, dann fehlt mir persönlich endgültig der Grund, wofür dieses Leben dann überhaupt gut sein soll. Mag ja sein, dass es anderen viel schlechter geht, aber das ist doch kein Grund, für den eigenen, unveränderlichen Zustand dankbar zu sein. Wem auch? Und warum soll ich etwas erdulden, wenn es vielleicht auch eine Möglichkeit gibt, es zu ändern?
Wenn ich aber irgendwann feststelle, dass sich bestimmte, negative Lebensumstände wohl als Dauerzustand etabliert haben und ich keine Chance mehr sehe, sie zu verändern, dann ist bei mir der Weg zur Lebensunerträglichkeit nicht mehr weit, das ist mir absolut klar, das finde ich aber auch nicht schlimm.

Der Beitrag von Frau Kaltmamsell ist mittlerweile schon ein paar Tage her, ich musste erst mal gründlich darüber nachdenke, was mich an diesen zwei einfachen Sätzen so besonders fasziniert hat, aber ich denke, es ist vor allem die Beiläufigkeit, mit der Frau Kaltmamsell festhält, dass es eben keineswegs eine Selbstverständlichkeit ist, gerne zu leben. Überhaupt zu leben, das ist sicherlich selbstverständlich, weil die Alternative eben nur "nicht am Leben zu sein" ist, und mit Menschen, die nicht mehr am Leben sind, muss ich solche Themen nicht besprechen. Dass man aber nur deshalb, weil man lebt, das auch automatisch gerne tun muss, das wird extrem selten hinterfragt bzw. von vielen Leuten als genau die falsche Selbstverständlichkeit unterstellt, die es eben nicht ist. Vielleicht sollte man diesen Menschen deshalb konsequent mit der umgedrehten Fragestellung begegnen: "Weshalb sollte man überhaupt gerne leben?"
Ich weiß da drauf nämlich keine Antwort, zumindest keine generelle, die das "gerne leben" als Selbstverständlichkeit begründen könnte. Ich kann viele Einzelsituationen benennen, in denen mir das Leben wirklich Spaß macht und natürlich lebe ich gerne für Dinge, die mir Spaß machen, ich kann aber auch viele Einzelsituationen benennen, in denen mir das Leben ausdrücklich keinen Spaß macht und die ich nur deshalb akzeptiere, weil ich jedes Mal die (berechtigte) Hoffnung habe, dass das nur ein vorübergehender Zustand ist und dass sich das wieder ändern wird, um wenigstens eine durchschnittliche Erträglichkeit zu erreichen.
Denn genau das ist es, was ich als Mindeststandard brauche, um überhaupt leben zu wollen.

Weil mir das aber auch schon immer bewusst war, achte ich aktiv darauf, dass ich mir diese Lebenserträglichkeit erhalte, womit sich viele Eigenarten, die ich im Laufe der Jahre entwickelt habe, erklären lassen. Dazu gehört z.B. das schon fast reflexhafte Rückwärtsgehen, wenn Menschen andere Vorstellungen haben als ich. Meine Standardreaktion ist "Dann eben nicht. Dann mach du wie du meinst - ich komm auch ohne dich klar." - Umstände zu akzeptieren, die das Leben für mich noch unerträglicher machen als es per default schon ist, lehne ich grundsätzlich ab, zu nah ist der Abgrund des endgültigen Abrutschens. Love it or leave it. Natürlich könnte ich es auch mit "change it" versuchen, aber wenn es um Meinungen und Einstellungen geht, respektiere ich grundsätzlich eine andere Grundhaltung und würde die deshalb nie verändern wollen, aber umgehen möchte ich auch nicht damit, deshalb gehe ich dann eben.
Kompromisse sind deshalb auch etwas, was ich in aller Regel zutiefst ablehne. Dann lieber gar nicht, denn meine Grundlinie ist die Lebenserträglichkeit. Da bleibt nicht viel Spielraum, wenn man nur knapp kalkuliert, denn weniger als mindestens ist halt unerträglich
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Freitag, 3. Juli 2020
Ich träume nicht
Ich bilde mir ja ein, dass ich unbedingt dieses Datensammelarmband tragen muss. Weshalb genau ich das will, kann ich eigentlich gar nicht wirklich sagen. Ich meine, wenn ich offiziell Gründe angeben müsste, dann könnte ich das natürlich schon erklären, ich weiß viele Gründe, die sich dann auch sehr seriös und sinnvoll und überhaupt insgesamt nachvollziehbar und positiv anhören, aber nur weil etwas gut klingt und sich richtig anhört, bedeutet das ja noch lange nicht, dass es auch stimmt. Es ist Teil meines Jobs Lebens ständig für allen möglichen Unsinn passende und glaubwürdige Erklärungen parat zu haben. Ich habe das sehr früh gelernt und wenn man das ein halbes Jahrhundert trainiert hat, dann ist man irgendwann auch richtig gut darin.

Mein Vater war ja studierter Pädagogiker und wusste deshalb, dass Kinder Regeln brauchen, weshalb er vorsichtshalber mal ganz viele aufstellte, viel hilft viel, so dass ich von klein auf mit einem äußerst seltsamen Strauß an Regeln, Vorschriften und Verboten konfrontiert war, mir blieb also gar nichts anderes übrig als schon zu früh zu lernen, wie man trotz dieser Blödsinnsumgebung noch ein einigermaßen nettes Leben führen kann. Die Regeln meiner Kindheit glichen in vielen Punkten den aktuellen Coronavorschirften - sie machten in ihrer Unverhandelbarkeit nur wenig Sinn, aber sie gaben meinem Vater das gute Gefühl, das maximal Mögliche getan zu haben. Und überhaupt - warum soll man was erlauben, wenn man es auch genauso gut verbieten kann?
Ich habe also früh gelernt, wie man mit Compliance umgeht: Man braucht vor allem immer eine sehr gute Begründung, warum für den einzelnen Fall grade die generelle Regel nicht gilt, denn wenn die Regel nicht gilt, dann kann man sie ja auch nicht brechen - es ist einfach nur eine Frage der Rhethorik.

Ich kann also ziemlich gut Begründungen liefern, die für den Rest der Welt total nachvollziehbar sind, nur ich selber weiß vielleicht, was ich davon frei erfunden habe und was vielleicht tatsächlich wirklich stimmt. Leider nur vielleicht, weil ich natürlich auch irgendwann beginne, meine eigenen Märchen zu glauben.

Ganz für mich selbst und ohne Begründungszwang weiß ich nicht, weshalb ich so ein Datenerhebungsgerät mit mir rumschleppe. Vielleicht aus Protest gegen all die wildgewordenen Datenschützer, die ich in den allermeisten Fällen albern finde, weil sie Leute dazu bringen wollen, ihre Haustür vorne mit siebenundzwanzig Sicherheitsschlössern zu verriegeln, während die dann hinten im Garten wüste Partys mit wildfremden Menschen feiern, die natürlich alle nicht ins Haus eingebrochen sind, sondern persönlich vom Hauseigentümer reingelassen wurden, weil es nur gute Freunde sind. Oder Freunde von Freunden, oder mit noch mehr umme Ecke - egal, auf alle Fälle ist die Haustür gut gesichert, weil, das sagen ja die Leute vom Datenschutz, das ist wichtig.

Und weil ich das meiste, was im Namen des Datenschutzes so an Umstand und Unbequemlichkeit in die Welt gesetzt wird, für nutzlos halte, mag es mein stiller Protest sein, dass ich deshalb extra viele Daten sammeln lasse, um sie dem RKI dann als Spende weiterzureichen.

Es kann aber auch eine versteckte masochistische Ader sein, dass ich es unbedingt schwarz auf weiß sehen will, dass meine Bewegungsdaten eine Katastrophe sind.

Meine aktuelle Begründung mir selber gegenüber lautet: Ich will die Schlafphasen messen, um mir selber zu beweisen, dass ich mehr schlafen sollte. Hört sich auch plausibel an.

Spannende Erkenntnis dieser gemessenen Schlafphasen ist ihre Einheitlichkeit, sie sehen nämlich sehr oft so aus:

Ich schlafe komplett ohne REM-Phase, übrigens ist das Ergebnis bei allen Datenmessgeräten, die ich bisher verwendet habe, das gleiche. Wenn eine REM-Phase vorkommt, dann ist sie so kurz, dass sie kaum nennenswert sein kann. Und ich glaube, dass ich damit immerhin eine gute Erklärung gefunden habe, weshalb ich schon seit immer sage, dass ich nicht träume. Oder zumindest nur sehr, sehr selten.
Was ich daraus sonst noch so ableiten kann, weiß ich nicht, ich fand es aber trotzdem irgendwie spannend
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Mittwoch, 1. Juli 2020
gleichmäßig langsam vs einzelne Sprints mit vielen Pausen
Eigentlich ist der akute Stress im Job jetzt durch, ich habe nur noch einen Stapel an liegengebliebenem Kram, den ich in aller Ruhe abarbeiten kann, aber statt mich entspannt und zufrieden an diese zugegeben langweilige, dafür aber komplett stressfreie Arbeit zu machen, sitze ich rum, starre Löcher in die Luft und kämpfe mit diesem Dauersatz, der mir das Hirn verklebt: "Ich habe keine Lust." Zwischendurch reiße ich mich dann immer mal wieder zusammen und arbeite konzentriert und zügig einen Berg Dinge weg. Weil ich das mit zusammengebissenen Zähnen und hoher Konzentration mache, bin ich ziemlich schnell, so dass ich am Ende des Tages das ganz normale Pensum eines ruhigen 8-Stunden-Tages abgearbeitet habe, aber gefühlt habe ich mich den größten Teil des Tages damit beschäftigt, meine Unlust wegzusublimieren, was im Ergebnis kein gutes Gefühl für die Selbstzufriedenheit macht.
Wenn ich mir eine Radtour vorstelle, bei der ich 80km am Tag fahren muss, kann ich entweder ganz langsam und entspannt 8h Stunden lang mit 10km/h vor mich hinradeln, oder ich rase zwei Stunden lang wie eine blöde mit 40 km/h durch die Gegend, um den Rest des Tages Löcher in die Luft zu starren. In beiden Fällen habe ich die gleiche Strecke geschafft, aber irgendwie fühlt es sich unterschiedlich an
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Dienstag, 30. Juni 2020
Das Jahr ist halb vorbei


Die Zeit schreibt ihre eigene Geschichte,
das Tempo wählt sie dazu ganz allein.
Es gibt kaum Fortschritt, nur so zähe Dichte,
ein grauer Nebel hüllt uns stetig ein.

Ein Tag vergeht, ein anderer folgt,
es ist ein steter Reigen
und plötzlich ist das Jahr halb rum.
Da staunen wir und schweigen.

Denn was nach vorne niemals rennt,
jagt rückwärts wie ein Krieger,
die Zeit hat Tag für Tag verpennt
und ist doch erster Sieger.

Erst neulich war's als ich dich fragte,
wie lange dieses Jahr wohl braucht.
Nichts geht voran, war's was ich klagte -
und plötzlich ist die Zeit verraucht.

Es wird und war. Es war und wird.
Aus Kälbern werden Rinder.
Schon Kästner war davon verwirrt,
ich wunder mich nicht minder.
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Dienstag, 30. Juni 2020
Mode
Es ist schon seltsam mit der Mode, oder genauer: mit dem Modegeschmack einzelner Menschen.
Jeder lebt ja in seiner ganz eigenen Filterblase, aus der sich sein ganz eigener Modegeschmack bildet. Der wird deshalb durch Vorbilder, wie man gerne sein möchte, genauso beeinflusst wie durch Hinternbilder, wie man auf keinen Fall sein möchte. "Am Arsch" denkt man sich, wenn man Leute sieht, die man nur rein optisch schon ungemein abstoßend findet. Hinternbilder sind damit genauso prägend wie Vorbilder und als drittes spielen dann noch Traumbilder eine wichtige Rolle, denn natürlich lebt jeder gleichzeitig noch in dem jeweils individuell ausbalanzierten Spannungsfeld zwischen Dunning-Kruger-Effekt und Impostor-Syndrom.

Ich nehme mich da keineswegs aus, ganz im Gegenteil, ich versuche nur meinen eigenen Modegeschmack sowohl in dem Bereich, der mir persönlich gut gefällt und den ich versuche, nachzuahmen, nach dem Warum zu ergründen als auch meine Modeabneigungen, also alle Stilrichtungen, die ich mit "ach du meine Güte, da hat es aber jemand nötig" pauschal extrem herablassend diskriminiere, zu verstehen*.
*Irgendwas hat sich in dem Satz grammatikalisch verduddelt, aber ich bin zu faul, da jetzt länger drüber nachzugrübeln, wie es richtig gehört, ich gehe davon aus, es ist auch in der grammatikalisch avantgardistischen** Form verständlich.
**avantgardistisch ist die schicke Form von "ich kann es grad nicht besser"


So, nach meinen passiv-aggressiven Angriffen auf den selbsternannten "ich bin Kulturschaffender und damit systemrelevant" Umtriebler, komme ich zurück, zu dem, was ich eigentlich sagen wollte: Es gibt Leute, die pflegen eine äußerlich durchaus auffallende Optik und beschweren sich dann gleichzeitig über Lookism.
Ich stehe dann jedesmal fasziniert am Rand und frage mich, wer denen eigentlich ins Hirn geschissen hat, dass sie die Widersprüchlichkeit ihrer eigenen, optisch gestylten Existenz im Kontrast zu dieser Forderung nicht bemerken.

Ich sagte es ja neulich schon, ich finde Lookism völlig okay, weil es in meiner Definition die Vorbeurteilung einer Person rein nach ihrer optischen Erscheinung ist und das betrifft vor allem die optischen Aspekte, die jeder Mensch aktiv selber beeinflussen kann.
Jemanden nur wegen seiner Hautfarbe in eine bestimmte Schublade zu stecken, ist meiner Meinung nach kein Lookism, sondern nur dämliche Ignoranz. Wenn sich aber jemand große Mühe gibt, seine Hautfarbe noch durch allerlei andere Modeaccessoires zu unterstreichen und damit besonders hervorzuheben, dann denkt der sich ja was dabei und dann finde ich es legitim, dass ich mir als Beobachter der Szenerie mir auch etwas dazu denken darf.
So'n Punk zB, der sich die Mühe macht, seine Haare regelmäßig optisch passend zu seinem Rollenbild anzupassen, der will doch mit seiner Optik etwas ausdrücken und insofern wäre es ja fast schade, wenn sich da niemand drum kümmern würde.

Und das gilt meiner Meinung nach für alle optischen Spirenzchen, die sich Menschen im weitgefassten Rahmen von "Mode" selber ausdenken.

Ich selber ziehe eine möglichst unauffällige Mode vor. Maximales Understatement war schon immer mein Credo und im übrigen bin ich viel zu eingebildet arrogant als dass ich zugeben würde, dass mich optische Überlegenheit beeindrucken könnte.

"Möglichst unauffällig" heißt dabei 'maximal unterstützend', ohne sich je selber in den Vordergrund zu spielen, weder positiv noch negativ.

Dabei gibt es für mich ein paar NoGos, die ich für mich selber kategorisch ausschließe und wegen derer ich alle Menschen, die hier eine andere Meinung haben, erst mal in eine Schublade mit Minuspunkten stecke, weil sie eindeutig dem Leitbild "die Optik bestimmt nicht den Menschen" widersprochen haben.

Tattoos gehören für mich in diese NoGo-Schublade. Jeder Mensch, der sich ein Tattoo stechen lässt, wird dafür gute Gründe haben - und ich reagiere ganz pauschal mit einem abwertenden "na, dann wird er das wohl brauchen" Schulterzucken darauf, und bin jedesmal froh, dass dieser Krug an mir vorüberging.

Ich hatte auch tatsächlich noch nie das Gefühl, das ich ein Tattoo brauche, ich hatte aber auch noch nie das Gefühl, dass ich heiraten möchte oder mich zu etwas ähnlich "Ewigem" mit nach außen gekehrter Symbolwirkung zu entschließen. Ich habe eben überhaupt wenig Bedarf, anderen Leuten etwas beweisen zu wollen.
Und wenn ich es nur für mich mache - na, dann brauche ich auch kein echtes Tattoo. "Die wahren Abenteuer sind im Kopf" - und nicht von anderen in meinen Körper gepiekst.

Dabei muss ich meinem Vater bis heute zutiefst dankbar sein, dass ich kein eigenes Tattoo habe, denn eine meiner größten Schwächen ist ein 100%iger Widerspruchsgeist. Hätte mein Vater mir vor 40 Jahren verboten, dass ich mich tätowieren lassen, dann wäre ich heute bunt wie ein Bootsmann auf Kaperfahrt. Weil ich es mir natürlich nie hätte verbieten lassen.
Zu meinem großen Glück hat er es aber einfach vergessen mir zu verbieten, was so gesehen schon fast wieder eine Leistung ist, weil er mir ansonsten so gut wie alles verboten hat. Nur an die Tattoos, da hat er tatsächlich nicht dran gedacht. Uffff.

Und um den Bogen zum Einleitungssatz zurück zu schlagen: ich war in einem Männer-Modehaus und ich sach mal so: Die Männer haben echt Glück, dass grade Corona ist und jeder jetzt damit eine perfekte Ausrede hat, nicht den dernier cri tragen zu müssen, weil, das wären sonst bunte Blumenhemden, und das kann doch wirklich niemand wollen, oder
?

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