anjesagt

Anjesagtes, Appjefahr'nes und manchmal auch Ausjedachtes
Sonntag, 28. September 2025
Über Geldausgeben und das eigene Verhältnis zu Geld
Auf dem Flohmarkt gestern traf ich auch die "Borkumfrau", das ist die Verkäuferin, die den Erlös ihrer Flohmarktverkäufe vollständig in ein soziales Projekt irgendwo in Afrika steckt und privat eine Ferienwohnung auf Borkum besitzt, was wir durch Zufall irgendwann mal rausfanden, also, dass wir beide da eine Wohnung haben und das auch noch auf derselben Straße, gar nicht weit voneinander entfernt.

Sie hatte mir vor einiger Zeit schon erzählt, dass sie im September für zehn Tage mit ihren Freundinnen nach Borkum fährt und ich fragte jetzt, ob sie wirklich da war, ich hätte sie gar nicht gesehen. Doch, doch, sie sei da gewesen, aber es hätte ja die gesamte Zeit geregnet, da wäre man halt viel drinnen gewesen oder man sei im Dorf in den Regenpausen von Geschäft zu Geschäft gelaufen, weil einem drinnen die Decke auf den Kopf fiel.

Ich fragte, ob sie in den Geschäften denn auch etwas gekauft habe und sie schüttelte nur den Kopf und sagte, nein, das ginge nicht, Flohmarktleute könnten nicht mehr in Geschäften einkaufen und ich musste sehr lachen, denn mir geht es ja exakt genau so. Flohmarktleute sind an Flohmarktpreise gewöhnt, Einkaufen im Geschäft bedeutet, dass man locker mindestens das zehnfache bezahlen müsste, um etwas zu kaufen, was man mit hoher Wahrscheinlichkeit auch demnächst auf dem Flohmarkt finden kann. Das gilt ganz besonders für diesen ganzen Touristendekokrimskrams, genauso aber auch für Klamotten und eben überhaupt für fast die gesamte tragbare "Kleinware".

Aus genau diesem Grund bin ich für "Shoppengehen", also Einkaufen von sonstigem Zeug (alles außer Alltagsverbrauchsmaterial) schon seit vielen, vielen Jahren komplett verdorben. Ich bekomme dort immer Schnappatmung wegen der Preise. Wenn ich doch mal durch Läden gehe, dann in der Regel nur, um mir Inspirationen zu holen, wonach ich auf dem Flohmarkt mal verstärkt Ausschau halten könnte.

In diesem Zusammenhang habe ich dann auch noch mal über Geld und das eigene Verhältnis zu Geld nachgedacht. Über die grundsätzliche Bedeutung von Geld habe ich ja schon vor drei Jahren mal ausführlich nachgedacht und festgestellt, dass jeder ein ganz eigenes, individuelles Verhältnis zu Geld hat.

Für mich ist ein sehr überlegter, bewusster und vor allem nachhaltiger Umgang mit Geld vor allem dann wichtig, wenn es um kleine Beträge geht. Nie käme ich auf die Idee, eine Pfandflasche einfach achtlos wegzuwerfen und selbstverständlich achte ich auf Sonderangebote und kaufe gezielt danach ein. In diese Kategorie gehören auch meine regelmäßigen Flohmarktbesuche und meine Begeisterung für Upcycling. Da sich das normale Alltagsleben fast ausschließlich in diesen Wertgrößen abspielt, macht es für mich einen entscheidenden Unterschied, ob ich 30€ oder 300€ für eine Winterjacke bezahle, wenn der Unterschied nicht in der Jacke selber, sondern im Zeitpunkt der Anschaffung und der Art des Verkäufers besteht.

Wenn es aber um große Beträge geht, also fünfstellig und aufwärts, reagiere ich mit großer Gelassenheit auf entsprechende Preisänderungen, wenn die Grundsatzentscheidung für das Basisgeschäft einmal gefallen ist und es klar ist, dass man für einen besseren Preis entweder irrsinnig lange warten muss und damit gleichzeitig auch ein großes Risiko eingeht, nämlich dass das gesamte Vorhaben scheitert, weil man keinen Vertragspartner für einen besseren Preis findet) oder sich die Preise während der Wartezeit noch mal deutlich verschlechtert haben oder dass man entsetzlich viel zusätzliche, eigene Arbeit reinstecken muss, ein Detail, was ich mittlerweile hartnäckig verweigere, weil der Stundenlohn, für den ich bereit bin, zu arbeiten, so hoch ist, dass es sich niemals lohnt, Dinge selber zu tun, auf die ich keine Lust habe.

Als ich Mitte des Jahres beschloss, die Wohnung in MG zu verkaufen, dachte ich noch, ich könnte vielleicht so 200.000€ dafür bekommen, schließlich ist allgemein bekannt, wie sehr die Immobilienpreise gestiegen sind und die Wohnung ist über 100qm groß usw. usw.
Nach dem sich der Makler meines Vertrauens aber die Wohnung angeschaut hatte und mir sagte, dass er einen realistischen Verkaufspreis höchstens zwischen 110-115T€ sieht, nun, da habe ich mich nach einem resignierten Achselzucken darauf eingelassen, weil mir alle anderen Alternativen nicht attraktiv erschienen.
Die Wohnung ohne Makler zu verkaufen war mir entschieden zu umständlich und sie vor einem Verkauf erst noch mit einer gehoben fünfstelligen Investition zu sanieren und schick herzurichten, war mir ebenfalls zu viel Arbeit und zu viel Risiko, und deshalb habe ich diesen Preis akzeptiert, ohne mich darüber aufzuregen.

Hätte ich mich mehr gekümmert, hätte ich unterm Strich vielleicht zehn-, zwanzig- oder sogar dreißigtausend Euro mehr bekommen können, einen Betrag, den ich mir durch konsequente Flohmarkt- und Sonderangebotseinkäufe nur nach sehr langer Zeit zusammensparen kann. Rein wirtschaftlich betrachtet wäre es also viel klüger gewesen, ich hätte mehr Energie in den Verkauf der Wohnung gesteckt und weniger in meine Einkaufssparaktionen beim Discounter oder Flohmarkt, aber genau das beschreibt mein Verhältnis zu Geld ziemlich passend: Geld ist für mich wie ein Butler, der soll auf mich aufpassen und für mich Dinge erledigen, zu denen ich keine Lust habe, die mir unangenehm, lästig oder zu anstrengend sind. Dafür behandle ich ihn gut und weise ihm keine unwichtigen Krimskrams-Alltagsaufgaben zu. Die kann ich selber machen, wenn ich Lust dazu habe, sonst sind diese Dinge im Zweifel einfach irrelevant.

Natürlich könnte ich einfach in einen Laden gehen und mir ohne nachzudenken all das kaufen, was ich grade haben möchte, aber irgendwie fände ich es respektlos gegenüber dem Geld. Für mich fühlt sich das an wie eine sinnlose Ressourcenverschwendung. Deshalb setze ich mein Geld lieber für Dinge ein, die mir nicht so leicht fallen und genieße es, dass ich es mir leisten kann, bei dem Verkauf der Wohnung nicht das Maximale rauskitzeln zu müssen.

Finanzielle Freiheit heißt nicht, dass man mit seinem Geld tun kann, was man will, sondern dass man nicht tun muss, was man nicht will.

Und um die Arroganz auf die Spitze zu treiben: Hunderttausend Euro hört sich zwar nach sehr viel an, ist aber tatsächlich nichts, mit dem man sehr viel bewegen kann. Nice to have auf alle Fälle, aber ansonsten bekomme ich für das Geld exakt ein neues Auto und ein neues Flachdach. In investiven Konsum übersetzt ist es plötzlich gar nicht mehr so viel.

Ich könnte es auch anlegen und versuchen, von den Zinsen zu leben. Bei 2% Zinsen bekomme ich für 110.000€ monatlich 135€ Zinsen netto.
Dazu sollte man im Hinterkopf haben, dass die aktuellen Zinsen ungefähr der Inflationsrate entsprechen - und dann wird einem plötzlich auch klar, was man da für komplett falsche Vorstellungen von Reichtum im Kopf hat
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