anjesagt

Anjesagtes, Appjefahr'nes und manchmal auch Ausjedachtes
Mittwoch, 13. November 2024
Fußgängerampel
Meine Schwester hatte heute ihren Scheidungstermin und sie hatte zum Feiern vor dem Amtsgericht eingeladen. Familiensachen werden ja nie öffentlich verhandelt, deshalb musste man draußen warten, entweder ganz draußen vorm Gericht oder im Gericht vor dem Saal, dazu musste man aber erst durch die Zutrittsschleuse und Personenkontrolle am Gerichtseingang und das bedeutete, Handy abgeben.

Weil es regnete und ungemütlich war und ich schon ahnte, dass der Verhandlungstermin etwas länger dauern würde, weil es alles in allem keine friedliche Auseinandersetzung war, habe ich die erste dreiviertel Stunde lieber bequem wartend mit Handy (und Podcast) in meinem Auto verbracht, ich hatte durch Zufall einen Parkplatz direkt vor der Eingangstür des Gerichts gefunden und wäre sofort dazu gestoßen, wenn sie unerwartet früh aus dem Gebäude gekommen wäre.
Irgendwann bin ich dann aber doch ausgestiegen und ins Gericht gegangen, dort traf ich vor der Verhandlungstür auf den Rest der Familie und Freunde, die alle hibbelig auf den Ausgang der Veranstaltung warteten.

Irgendwann ging dann die Tür auf und es quoll weißer Rauch aus dem Saal - die Parteien hatten sich tatsächlich zu einem Vergleich in Punkto Zugewinn und Versorgungsausgleich einigen können und so endete eine 22jährige Ehe wie sie begonnen hatte, auch bei der Scheidung wird man offiziell gefragt, ob man will und muss offiziell "Ja" sagen.

Ich habe persönlich ja überhaupt keine Erfahrung in all diesen Ehe-Dingen, aber wenn ich so einen Scheidungsdramakampf miterlebe, fühle ich nur immer wieder tiefe Dankbarkeit darüber, dass mich mein tiefsitzendes Selbstständigkeits- und Unabhängigkeitsgefühl bisher sauber vor so einem Debakel bewahrt hat.
Es ist eine Sache, wenn eine Beziehung scheitert, aber eine komplett andere, wenn man seine eigene finanzielle Situation mit der eines anderen Menschen verknüpft und das nicht sauber vertraglich geregelt hat, vorher! - als man sich noch gut verstand und es wirklich für beide Seiten fair und ehrlich vereinbaren kann.

Wie auch immer, für die Schwester ist es jetzt überstanden und ich habe ihr als Geschenk für ihre neue Freiheit gleich einen Satz neue Visitenkarten mitgebracht - jetzt darf sie ihren eigenen Namen wieder annehmen, ein weiteres Symbol der zurückeroberten Persönlichkeit.

Vorm Gericht gab es dann erstmal für alle ein Glas Sekt - die Schwester hat eine Menge Freunde, die sich mit ihr freuten, der Ex-Mann hat sich eilig davon gemacht.

Drei Stunden später und nach einem sehr leckeren Brunch mit zwei großen Cappuccino in einem Café in der Nähe hatte ich dann auch den Sekt soweit verdaut, dass ich mich traute, wieder nach Hause zu fahren und bin ziemlich langsam (dem Navi hatte ich gesagt: kürzeste Strecke) im Zickzack über die Dörfer wieder nach Greven gefahren.
Dabei habe ich die letzte Podcastfolge aus dem Hotel Matze gehört, mit Christian Lindner, und mich beim Hören innerlich immerzu geschüttelt, was ist das für ein selbstherrlicher, eingebildeter, überheblicher Fatzke. Erzählt so nebenbei, dass er sich schon mit 19 mit einer Agentur für Werbung und Kommunikation selbstständig gemacht hat und sich auch mit 19 dann von dem ersten selbstverdienten Geld gleich mal für 80.000 DM einen (gebrauchten) Porsche gekauft hat. Und das Geld hätte er eben verdient, weil er dafür hart gearbeitet hätte.
Harte Arbeit bei der Produktion von hohlen Phrasen und Abzockegesülze in einer Agentur für Kommunikation und Marketing. Ja, ne, is klar.
Und heute würde er immer noch jede Woche 80 Stunden arbeiten. Und natürlich hätten Mitglieder der Bundesregierung keinen Urlaub, sondern wären immer und jederzeit erreichbar und im Dienst. Und er hätte sich immer an die Regeln gehalten. Klar, genau wie der Ex-Mann meiner Schwester. Wir halten uns alle immer und jederzeit an die Regeln, man muss die Regeln nur richtig auslegen.

Ne, pfui, es ist gut, dass wir den los sind - und Fußgängerampel als Bezeichnung für den verbliebenen Rest in der Regierung finde ich ein sehr passendes Wortspiel. Mag sein, dass man ohne die wortführenden Schaumschläger jetzt Probleme mit dem Haushalt bekommt, aber lieber künftig auf einiges verzichten als weiter mit solchen Menschen in Angeberautos durch die Gegend fahren
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