anjesagt

Anjesagtes, Appjefahr'nes und manchmal auch Ausjedachtes
Samstag, 13. Juli 2024
Fahrt mit Widernissen
Ich gebe mir grundsätzlich immer viel Mühe, für jede einzelne meiner zunehmenden Schusseligkeiten immer noch eine vertretbare Alltagsentschuldigung zu finden, um mich elegant um die naheliegendste Erklärung, nämlich unheilbare Verpeiltheit aufgrund gestiegenen Altertums, so lange wie möglich eloquent herumzubegründen, ich mache mir aber zunehmend Sorgen, wie lange das noch gutgeht.

Für die Menge an Unsinn und Absurditäten, die ich mir heute geleistet habe, fehlt es mir schon allein durch die schiere Anzahl der Vorfälle an einer brauchbaren Entschuldigung.

Aufstehen, den letzten Kram zusammenzupacken, Kühlschränke aus- und umräumen und abtauen und den Müll rauszustellen hat fehlerfrei funktioniert und ich war entspannt früh mit allem fertig, so dass ich auf die kühne Optimierungsidee verfiel, dass ich unterwegs kurz vor der holländischen Grenze ja noch mal tanken könne, denn das Auto wird dann für sechs Wochen nicht mehr auf dem Festland sein und da ist es natürlich angenehm, mit einem möglichst vollen Tank überzusetzen, um ein Nachtanken auf der Insel zu vermeiden.

Es gibt zwar eine Tankstelle auf Borkum, dort kostet der Liter Sprit aber mindestens 20 Cent mehr als auf dem Festland, damit ist Tanken dort sozusagen unbezahlbar, dasselbe gilt auch für die Niederlande, Tanken ohne Sofortkonkurs ist nur auf dem deutschen Festland möglich.
Da ich die Fähre ab Eemshaven gebucht hatte, galt es jetzt die passendste Tankstelle zu finden, die den Schnittpunkt zwischen niedrigstem Preis, kürzester Restentfernung bis Eemshaven und zusätzlichem Umweg bestmöglich optimierte. Die vierte Komponente, Zeit, war kein Faktor, das hätte die Berechnung auch maximal erschwert, denn der Zeitfaktor hätte ja erst in Euro bewertet werden müssen und spätestens da wird die Rechnung ungenau.

Ich googelte also schon mal ein bisschen rum und entdeckte dabei, dass die N366 in Holland gesperrt ist, mein normaler Weg, nämlich in Haren schon von der Autobahn abzufahren und die letzten 100km über holländische Landstraßen zu gondeln, war damit unklug.
Ich war sehr froh, dass ich das schon zu Hause auf dem Sofa sitzend herausgefunden hatte und nicht erst unterwegs während der Fahrt und dann durch hektische Navi-Umprogrammierungen hätte reagieren müssen.

So entschied ich spontan, dass ich in Deutschland bis zum Autobahnkreuz Bunde fahre, um dort auf die holländische Autobahn zu wechseln und so die gesperrten Landstraßen vermeide.
Jetzt brauchte ich also eine Tankstelle in der Nähe vom Autobahnkreuz Bunde.

Mittlerweile war es aber schon nach 10h und ich fragte K, ob er am PC mal versuchen könnte, die perfekte Tankstelle für mein Vorhaben zu finden und wir könnten dann ja telefonieren, wenn ich kurz vor Bunde bin.

Die Fähre fuhr um 13.30h und wenn ich noch extra Zeit fürs Tanken einplanen möchte, wurde es Zeit, dass ich losfuhr.
Dass die Fähre um 13.30h fuhr, hatte ich mehrfach kontrolliert, genauso wie die Existenz des Tickets.
Deshalb hatte ich nämlich schon vor 10 Tagen mal wilde Schreck-Schweißausbrüche bekommen, weil ich dachte, ich hätte das Ticket verkramt, es war nicht da, wo es hätte sein sollen. Aber nach dem ich dann panisch rund eine Stunde das halbe Haus abgesucht hatte, schaute ich doch noch mal dort nach, wo es normalerweise ist - und plötzlich war es wieder da.
Ich schwöre, es hatte sich vorher in irgendeiner Dimensionsfalte versteckt.

Heute kontrollierte ich noch mindestens zweimal, ob das Ticket auch wirklich immer noch da ist (in meinem Portemonnaie, hinter meinem Insulanerausweis und ja, es war da) und ich kontrollierte auch noch mindestens zweimal, welche Fährabfahrtszeit in meinem Kalender steht, da stand konsequent 13.30h.

Deshalb fuhr ich gegen Viertel nach 10h los, ich habe gerne eine Stunde Puffer und Tanken wollte ich ja auch noch.

Auf den Straßen war kaum etwas los und ich kam gut durch. In Rheine* kam ich an einer Tankstelle vorbei, die den Sprit für 1,69 € verkaufte, das war sechs Cent günstiger als das, was ich am Donnerstagabend bezahlt hatte, als ich den Wagen schon mal vollgetankt hatte, weil mir der Preis günstig erschien. Aber ein Nachtanken an dieser Superpreistanke war ziemlich sinnlos, ich war noch keine 50km gefahren, ich hätte also höchsten 3-4 Liter reinquetschen können, das erschien selbst meinen ausgeprägten Spargelüsten als sinnlos, schade fand ich es trotzdem. Während ich weiterfuhr, rechnete ich aus, dass ich durch das Tanken an der falschen Tankstelle über 2 Euro verloren hatte. Spontan beschloss ich, dass ich deshalb diesmal leider nicht bei McDov in Appingedam halten werde, damit spare ich noch mehr als nur 2 Euro und meine Verschwenderei durch falsches Tanken ist wieder ausgeglichen.

* ich finde, das ist eine lustige Quizfrage für Leute, die sich im Münsterland nicht ganz so gut auskennen: An welchem Fluss liegt Rheine? - Tipp: Es ist nicht der Rhein ;-)

Als ich eine Stunde unterwegs war, rief ich K an, um mich zu erkundigen, ob er eine passende Tankstelle gefunden hat und er sagte, dass es eine Abfahrt vor dem Autobahnkreuz Bunde, wo ich nach Holland abbiegen muss, einen Autohof gibt und das sei die am dichtesten an der Strecke und am dichtesten vor der Grenze gelegene Tankstelle, allerdings kostete der Sprit da 1,81 €. Wir diskutierten ausführlich, ob es sinnvoller sei, lieber etwas weiter zu einer günstigeren Tankstelle zu fahren, rechneten dann aber aus, dass sich das nicht lohnt, denn mehr als maximal 12 Liter werde ich eh nicht nachtanken können, da ist der Preis dann fast egal.

Die Tanke an diesem Autohof entpuppte sich als Selbstbedienungs-Tankcenter, ich musste vor dem Tanken die Tanksäule erst mit meiner Kreditkarte an einem Automat freischalten (auch so ein Extraabenteuer, denn da ich in 98% aller Fälle mit der Uhr bezahle, weiß ich meine PIN nicht mehr auswendig, zum Glück habe ich aber gleich beim ersten Versuch richtig geraten.) Dann konnte ich tanken und schon nach 9 Litern stoppte der Tankvorgang, ich war aber sicher, dass ich mindestens 12 Liter reinkriegen müsste, immerhin hatte ich inzwischen für 150km Sprit aus dem Tank verfahren. Ich steckte den Tankrüssel also wieder rein und hielt den Tankhebel mit der Hand festeingedrückt, während ich gespannt auf die Anzeige auf der Tanksäule blickte. Die Säule zeigte 12 Liter, dann 13 Liter, dann 14 Liter - und dann bemerkte ich, dass ich nasse Füße bekomme. Die automatische Tankstoppsicherung war nicht mehr rausgesprungen, mein Tank lief längst über und das Benzin plädderte fröhlich auf den Boden und auf meine Füße.

Ich glaube, mit dieser Nachtankaktion habe ich nicht wirklich etwas gespart und außerdem riecht jetzt das gesamte Auto nach Benzin.

Nicht zu ändern.
Ich machte mich wieder auf den Weg Richtung Eemshaven, ich hatte noch rund 60km vor mir, aber es war erst kurz nach 12h, also kein Grund zur Eile. Weil ich dem festeingebauten Navi im Auto keine vernünftige Aktualität zutraue, es ist immerhin schon 10 Jahre alt, hatte ich mein Handy mit GoogleMaps als Zweitnavi gestartet und das zeigte mir einen Weg für 20km gradeaus.
Nach 3km dämmerte mir, dass da was nicht stimmen kann. Mein eingebautes Navi verlangte lautstark, dass ich auf der Stelle wende, weil ich an der Autobahnauffahrt dran vorbeigefahren war, GoogleMaps dagegen tat so, als sei alles okay.
Ich schaute mir die Strecke von GoogleMaps genauer an, das wollte gradeaus nach Groningen, das wiederum hielt ich für eine blöde Idee, ich wollte lieber nach Eemshaven. Also versuchte ich zu wenden und als links eine Straße abging, blinkerte ich links, holte allerdings nach rechts aus, weil ich dann in einem Rutsch um 180° rumfahren wollte. Als ich in den Rückspiegel schaute, sah ich, dass das Auto hinter mir grade dabei war, mich links zu überholen, während das danach folgende Auto versuchte, mich rechts zu überholen. Ich trat auf die Bremse und stand dann quer mitten auf der Straße, während rechts und links an mir die Autos vorbeifuhren, ich muss dazu sagen, das waren alles Holländer, die haben traditionell einen eigenwilligen Fahrstil.

Zum Glück gab es keinen Gegenverkehr und als alle Autos hinter mir an mir vorbeigefahren waren, konnte ich in Ruhe wenden und fuhr wieder Richtung Autobahn. Dann kontrollierte ich noch mal, was GoogleMaps da für eine seltsame Streckenführung anzeigt, und bemerkte, dass ich von diesem Autohof aus auch direkt immer gradeaus über Landstraßen, an Groningen vorbei bis Eemshaven hätte fahren können, das wäre 20km kürzer gewesen und hätte mir die Wendeaktion erspart, wenn ich GoogleMaps vertraut hätte.

Aber nun ja, nicht zu ändern. Jetzt noch mal zu wenden fand ich dann auch blöd.

Während ich dann so über die Autobahn Richtung Eemshaven fuhr, überlegte ich, ob die Fähre auch wirklich ab Eemshaven geht oder ob ich vielleicht doch die Fähre ab Emden gebucht habe? 13.30h ist eigentlich eine typische Emden-Abfahrtszeit, je länger ich darüber nachdachte, umso unheimlicher wurde mir und ich begann mir auszumalen, wie ich dieses Drama in Griff bekommen könnte, denn auch wenn ich eine Stunde vorher im Eemshaven bin, so ist das doch zu spät, um dann wieder umzudrehen und nach Emden zu fahren. Ich überlegte ernsthaft anzuhalten, um das mit einem Blick auf das Ticket zu kontrollieren, denn ohne Anzuhalten wäre es eine echte Harakiri-Aktion geworden, mein Portemonnaie aus den Tiefen meiner Handtasche zu angeln und dann in dem durchaus großen Portemonnaie (mit vielen Fächern) auch noch das kleine Ticket rauszuziehen und zu lesen, welcher Abfahrtshafen draufsteht.
Weil ich gedanklich so intensiv mit diesem Problem beschäftigt war, fuhr ich am Autobahnkreuz Bunde einfach gradeaus weiter statt Richtung Niederlande abzubiegen und bemerkte das erst eine ganze Zeit später.
Diesmal war die Wendeaktion etwas normaler, ich fuhr die nächstmögliche Abfahrt runter und dann in Gegenrichtung wieder auf, konzentrierte mich, um anschließend auch die korrekte Richtung am Autobahnkreuz zu erwischen und als ich irgendwann wieder über die Frage, welcher Abfahrthafen wohl auf dem Ticket steht, nachdachte, war es inzwischen sowieso zu spät noch mal anzuhalten, deshalb fuhr ich einfach weiter und drückte mir selber die Daumen, dass ich wirklich die Fähre ab Eemshaven gebucht hatte.

Um 12.25h war ich am Fährhafen und holte mein Ticket raus, um mich in die richtige Warteschlange einweisen zu lassen. Der Einweiser brauchte ungewöhnlich lange, um das Ticket zu kontrollieren, ich bekam zunehmend weiche Knie - und dann sagte er, ich wäre ja wirklich sehr früh dran, für meine Fähre hätten sie noch gar keine Warteschlange eröffnet, meine Fähre geht schließlich erst in drei Stunden.

Wir einigten uns darauf, dass ich erstmal am Rand warte, bis die 12.30h Fähre fertig beladen ist, um mich dann, wenn die 13.45h Fähre beladen wird, in eine freie Wartespur für die 15.15h Fähre zu stellen.

Ich hatte zwar die Abfahrtszeit der Fähre mehrfach kontrolliert, aber nie durch einen Blick auf das Ticket, sondern immer nur durch einen Blick in meinen Kalender, dort hatte ich es schließlich eingetragen. Leider hatte ich es dort falsch eingetragen und, wie es mir mein Bauchgefühl schon gesagt hatte, gibt es gar keine 13.30h Fähre ab Eemshaven, allerdings eine 13.45h Fähre, nur für die war ich nicht gebucht.

So stand ich also drei Stunden zu früh in Eemshaven am Fähranleger, mein Auto und meine Schuhe stanken nach Benzin und es regnete.

Immerhin gelang es mir dann aber, den Chefeinweiser für die Fähre zu überzeugen, dass ich meine ganz eigene Ersatzwarteschlange für die 13.45h Fähre bekomme, wenn nämlich alle Autos, die dafür gebucht und anwesend sind, verladen sind und dann ist doch noch ein bisschen Platz, dann könnte ich doch vielleicht auch schon eher?.....
Und so kam es, dass ich ganz hinten auf der 13.45h Fähre glücklicherweise noch einen Platz bekam und so war am Ende dann alles gut - nur meine Schuhe stinken immer noch widerlich nach Benzin
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